5 FRAGEN AN ROSITTA BECK: HOME-OFFICE – FLUCH ODER SEGEN?
Die Arbeitswelt wird immer flexibler. Damit kommt dem Thema Home-Office wachsende Bedeutung zu. Viele Gründe sprechen für das Arbeiten von zu Hause. Wir nehmen mit Rositta Beck, Expertin für Officemanagement, verschiedenen Blickwinkel ein.
1. Ist Home-Office für jeden etwas?
Definitiv nicht. Mal abgesehen von der Tätigkeit selbst ist nicht jeder Mensch von seiner Persönlichkeit her dafür geeignet, selbstorganisiert und autonom zu arbeiten. Die Anforderungen an PC-Know how, Disziplin, Struktur für den Tag, die Selbstorganisation, Kommunikation und Motivation sind höher. Man muss mit den eigenen Widerständen wie „Aufschieberitis“ umgehen können. Denn Prokrastination kann dazu führen, wegen eines Abgabetermins doch noch abends und in der Freizeit zu arbeiten. Die Arbeit ist meist nur wenige Meter entfernt, Smartphone, Tablet oder das Laptop sind in unmittelbarer Nähe.
Häufig trennt nicht einmal eine verschließbare Tür die Lebensbereiche Privat/Beruf.
Zwischen Beruf und Familienleben abgrenzen zu können ist elementar.
Sonst kann das Modell leicht zur Selbstausbeutung führen.
Das passiert besonders schnell Frauen mit Kindern.
Das Rollenkarussell „Mitarbeiterin“, „Mutter“, „Ehefrau“, „Hundefrauchen“, „Nachbarin“ dreht sich den ganzen Tag. Wer es allen immer recht machen möchte und nicht Nein sagen kann,
„spart“ dann an der Zeit für sich selbst. Selbst langjährigen Home-Office Nutzern kann der „Absprung“ in die Freizeit schwerfallen. Das kann dann zur Vereinsamung führen.
2. Was bedeutet Home-Office für die Organisation im Unternehmen?
Mit klaren Regeln zur Zusammenarbeit kann der zu Beginn leicht erhöhte Koordinations- und Organisationsaufwand niedrig gehalten werden. Ein einheitliches Verständnis rund um Sprachregelungen, Durchlaufzeiten, Arbeitszeit, Erreichbarkeit und der Umgang mit Anrufen in Abwesenheit sollte noch einmal abgestimmt werden. Das sind zwar alles Themen des täglichen Arbeitens im Büro, doch sie werden oft unterschiedlich gelebt. Vielleicht fallen durch Home-Office auch spontane Besprechungen weg. Denn wenn jetzt vorausschauender geplant werden muss, verbessern sich die Prozesse und die Qualität steigt.
Ich empfehle während der Einführungsphase von Home-Office bewusst Besprechungstermine einzuführen, um gemeinsam auszuloten, was in der neuen Zusammenarbeit gut läuft und was noch verbessert werden sollte. Denn es werden auf jeden Fall Fragen auftauchen wie „Was passiert mit dem freien Platz oder Büro, wenn jemand Home-Office macht?“
Mit der richtigen Software gilt es Medienbrüche zu vermeiden. Führungskräfte und Mitarbeitende müssen im Umgang mit den Möglichkeiten geschult werden. Office 365 bietet beispielsweise das Programm „Teams“, aus dem heraus direkt mit Kollegen mit Videoübertragung telefoniert, geplant und organisiert werden kann. Hier sind auch Chats möglich, die auf dem Smartphone ähnlich einer WhatsApp bearbeitet werden können. Mit OneNote als Notizbuch sind dann alle Informationen direkt an einer Stelle verfügbar. Keine Zettelwirtschaft, weniger E-Mails, keine Suchzeiten. Neuerdings enthält Outlook eine Insight Funktion, über die Analysen zur Anzahl der Kontakte, eingesetzten Zeit der Woche ausgewertet werden können. Das Repertoire an Möglichkeiten ist so groß, dass ich dazu ein online Seminar bei freier Zeiteinteilung anbiete. Ist sicher auch sehr wertvoll als gute Vorbereitung auf Home-Office.
3. Welche neuen Anforderungen kommen auf Führungskräfte zu?
Eine ganze Menge, beispielsweise neue Aufgaben in der Rolle als Gefährdungswächter, als Beziehungsgestalter über eine Distanz, Organisator, Begleiter, Vorbild, Moderator, Coach und auch Animateur, wenn es darum geht, neue Tools auszuproben. Zu diesen Führungsthemen veranstalten wir deutschlandweit Inhouse Seminare und Workshops.
4. Welche Rolle spielt Kontrolle im Home-Office?
Ja, es wird immer wieder über Kontrolle geschimpft, obwohl auch so viel Gutes in ihr steckt.
Kontrolle kann eine „Not“ aufdecken, die es zu beheben gilt.
In meinem Buch Home-Office trägt Susanne Janthur, Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Mentorin für Kommunikation ein Kapitel zum rechtlichen Rahmen bei. Darin zeigt sie auf, dass der Arbeitgeber gegenüber seinen Mitarbeitern eine Fürsorgepflicht hat, die in allen Bereichen des Arbeitsverhältnisses wirksam wahrgenommen werden muss.
Führungskräfte sind daher nicht nur berechtigt, sondern auch gehalten, zu kontrollieren und zu überprüfen, ob Mitarbeitende ihre Arbeit gut erledigen können. Diese Kontrolle gibt Sicherheit und kann durch regelmäßiges Einfordern von Updates zum Projekt- oder Aufgabenstand sowie proaktive Kommunikation über Videobesprechung erfolgen. So können Zielvorgaben regelmäßig geprüft werden. Einer meiner Kunden rief beispielsweise einmal wöchentlich bei seinen Mitarbeitenden an, um die Anzahl erledigter und offener Tickets abzufragen. Die Leistung des Einzelnen floss in die des Teams ein. Für diese Zahlen gab es Erfahrungs- und Vergleichswerte, sodass früh sichtbar wurde, ob das Team seine Ziele erreicht ober ob es einen Engpass geben könnte. Statt über kleinteilige Arbeitsaufträge wird hier über das Team-Ziel geführt.
Neben Kontrolle spielt auch Vertrauen eine große Rolle. Vertrauen hängt vom eigenen Menschenbild ab, einer Haltung, die man nicht kurz nebenbei in einer Schulung lernt. Gehe ich davon aus, dass Menschen sich gern einbringen, etwas leisten, sich anstrengen, mit ihrer Arbeit identifizieren, ihren Zielen, Verantwortung übernehmen und sich selbst gut führen können? Dann ist es einfach, ihnen Vertrauen entgegenzubringen. Vertrauen ist Zuversicht ohne absolute Gewissheit.
Mitarbeitende, denen vertraut wird, identifizieren sich eher mit ihrer Arbeit und dem Unternehmen. Aus dem Gefühl heraus, wertgeschätzt zu werden, bauen sie Energie und Motivation auf. Um Vertrauen aufzubauen, sind Transparenz in der Führung und Feedback als Steuerungsinstrument Schlüsselfaktoren.
Und Vertrauen ist keine Einbahnstraße. Mitarbeiter müssen in die Führung Vertrauen haben, ihr zutrauen, neben dem großen Ganzen auch die Leistung der Einzelnen im Blick zu haben.
Dazu braucht es gegenseitig eine klare Kommunikation von Erwartungen, Nachvollziehbarkeit von Führungsentscheidungen und Feedback als Steuerungsinstrument.
5. Frau Beck, was brachte Sie zu diesem Thema?
Es wurde mir schon in die Wiege gelegt. Mein Vater startete sein Elektrohandwerks-unternehmen mit einer kleinen Werkstatt und steuerte es vom Home-Office aus. Schon als Kind habe ich die Herausforderungen kennengelernt: den Absprung in die Freizeit zu schaffen und mit der Familie aktiv zu gestalten. Klingelte das Telefon oder ging der Funk, mussten wir Kinder immer ganz still sein. Wir bekamen auch Gespräche mit, die Kinderohren Sorgen bereiten.
Genau diese Not, keine Zeit mit den Eltern zu haben, weil sie für unseren Wohlstand voll im Business Hamsterrad steckten, wollte ich schon als Kind auflösen. Ich bettelte, mit 12 Jahren einen Schreibmaschinenkurs zu machen, um im Büro die Rechnungen zu tippen. Das habe ich auch gemacht, wurde sogar richtig schnell dadurch, doch das Unternehmen wuchs und mit ihm die Anzahl der Beschäftigten, die Aufgaben, das Einnehmen seiner Zeit, das Papier … Mit dem Wunsch, in all diesen Anforderungen gemeinsame Familienzeit zu verankern, bildete sich mein Organisations- und Effizienz-Gen aus.
Als ich mich 1999 mit zwei Kindern allein erziehend selbständig machte, bin ich dennoch auch erst in die Hamsterrad-Falle geraten. Dann entwickelte ich ein System, das beim Fundament, einer stimmigen Informationsstruktur beginnt, auf der Verhaltens- und Skillseite weitermacht und auch das Thema Werte, Haltung, Mindset mit einschließt. Es ist das Worxellence® System mit dem Nutzenversprechen Zeit für Erfolg. Zeit für das, was Menschen wichtig ist. Damit (Unternehmer-) Kinder Eltern haben und arbeitende Eltern noch Zeit zum Leben! Das treibt mich jeden Tag an.
Die Autorin
Rositta Beck
Zeit für Erfolg, Zeit für Lieblingsmenschen. Rositta Beck zeigt Ihnen, wie Sie Ihr Officemanagement auf das nächste Level heben. Sie hat als Unternehmerkind selbst erlebt, wie es ist, wenn sich alles um das Business dreht. Als eine von drei Töchtern eines Unternehmers im Elektro Handwerk geboren, kennt sie die Herausforderungen im Work-Life-Blending. Genau deshalb entwickelte sie ein System, das beim Fundament, den Informationsstrukturen ansetzt.
Unter dem Angebotsnamen Worxellence® bietet Rositta Beck das System für exzellente Arbeit von und mit motivierten, befähigten Menschen. Methoden sind Arbeitsplatz-Coachings, Inhouse Seminare, online Seminare, Coachingbriefe, Prozessbegleitung. Sie lebt in Remseck bei Stuttgart, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
www.denkvorgang.com